veröffentlicht worden. Die Ev. Brüdergemeinde und ihre Diakonie versteht die Gedenkveranstaltung als wichtigen Beitrag zur Verarbeitung des Geschehenen sowie als Ansporn für künftige Generationen, dass sich Ähnliches nie mehr wiederholt.
Innehalten und weitergehen
Den Teilnehmern dankte er für ihre Bereitschaft, diesen schwierigen Tag gemeinsam zu durchleben. Andersen weiter: „Wir denken auch an alle Betroffene, die bereits verstorben sind. Es ist uns, bei aller Kritik, ein ehrliches Anliegen, dass dieses Zeichen des Gedenkens nach und nach als ein Baustein auf dem langen Weg dieser Aufarbeitung angenommen werden kann: Als Zeichen der Anerkennung des Leids, als Zeichen gegen das Vergessen und als Zeichen, dass für alle Beteiligte an dieser Aufarbeitung Hoffnung, Respekt und Vertrauen wieder möglich werden.“
Symbole der Erinnerung und Wegweisung
Gerhard Roese (Darmstadt) stellte die von ihm entworfene und realisierte Skulptur HOFFNUNG (Link auf Video). auf dem Hoffmannhausgelände der Öffentlichkeit vor. Mit drei Stelen setzen die Ev. Brüdergemeinde Korntal und ihre Diakonie ein öffentliches Zeichen der Warnung und Wegweisung im Gedenken an die damaligen Missbrauchsgeschehen in ihren Kinderheimen. Die mit der der goldenen Kugel in ihrer Mitte bilden eine Einheit und verweisen auf das, was unverzichtbar ist und bleibt, damit Leben gelingen kann.
Dem Künstler - selbst Missbrauchsopfer in der Odenwaldschule - war wichtig, dass die Stelen nicht nur den Blick zurück anregen, sondern auch nach vorne weisen und eine positive Deutung eigener Erfahrungen ermöglichen. Auf dem Gelände des Flattichhauses in Korntal steht die Skulptur VERTRAUEN, die Skulptur RESPEKT wird im Herbst 2022 im Hoffmannhaus Wilhelmsdorf aufgestellt. Der Gedenktag am 25. Juni 2022 als Ergebnis des „Projekts Erinnerungskultur“ wurde gemeinsam von betroffenen ehemaligen Heimkindern und der Ev. Brüdergemeinde und Diakonie geplant und durchgeführt.
Wir stehen zu unserer Schuld
Nach einer gemeinsamen Schweigeminute für alle bereits verstorbenen Beteiligten im Zusammenhang mit der Aufarbeitung verlasen die Verantwortlichen von Ev. Brüdergemeinde und Diakonie gemeinsam ein Schuldbekenntnis. Klaus Andersen: „Vor vier Jahren haben wir bei der Veröffentlichung des Aufklärungsberichtes um Vergebung gebeten. Dieser Bitte folgt heute ein Schuldbekenntnis zum allem, was geschehen ist, was unauslöschlich zur Geschichte unserer Jugendhilfearbeit gehört und was in unseren Herzen in Gegenwart und für die Zukunft mahnend präsent sein muss.“
Prävention wurde verbessert
Diakonie-Geschäftsführer Veit-Michael Glatzle verwies darauf, dass auch die Kunstwerke auf dem Gelände der drei Kinderheime als Zeichen der Mahnung und der Warnung an die schrecklichen Geschehnisse von damals erinnern sollen. „Auch durch dieses Zeichen erkennen wir das Leid an, das den Betroffenen widerfahren ist.“ Veit-Michael Glatzle betonte: „Die deutlich verbesserten Präventions- und Schutzkonzepte unserer Einrichtungen sollen über die Verantwortung eines jeden Einzelnen hinaus dazu beitragen, dass sich Missbrauch in unseren Einrichtungen niemals mehr wiederholt.“
Bekenntnis gegenüber ehemaligen Heimkindern und Mitarbeitern
Jutta Arndt, Geschäftsführerin der Diakonie, und Dieter Weißer, weltlicher Vorsteher der Ev. Brüdergemeinde, verlasen gemeinsam das Schuldbekenntnis:
"Wir bitten um Vergebung, wollen das Leid der Betroffenen auch in Zukunft nicht vergessen und alles dafür tun, dass sich Ähnliches nie wiederholt. Wir haben Fehler gemacht und sind durch unbedarftes Reden und Handeln schuldig geworden, sowohl gegenüber Betroffenen als auch gegenüber den ehemaligen Mitarbeitern, die sich zu Unrecht dem Generalverdacht der Täterschaft ausgesetzt sahen."
Schweigemarsch und Ausstellung
Im Anschluss begaben sich die Teilnehmer schweigend vom Hoffmannhaus zum Flattichhaus, wo die Skulptur VERTRAUEN der Öffentlichkeit übergeben wurde. In der Stadthalle wurde eine Ausstellung mit Kunstwerken Betroffener eröffnet. In eindrücklichen Bildern brachten Betroffene zum Ausdruck, wie sie ihre schmerzlichen Gewalterfahrungen von Willkür und Ohnmacht künstlerisch verarbeitet haben.
Bewegende Berichte
In der Veranstaltung am Nachmittag berichteten Betroffene eindrücklich über persönliche Erfahrungen in den damaligen Kinderheimen. Einige erzählten von Selbstmordversuchen, andere, dass sie bis heute bindungsunfähig seien. Mehrere brachten zum Ausdruck, dass sie die heutige Gedenkveranstaltung als wertschätzend empfänden. Ein Betroffener äußerte die Erwartung, dass mit einer entsprechenden Prävention kein Kind mehr in Zukunft das erleben müsse, was er und andere in den Heimen erlebt hatten.
Informative Impulse
Der Vertreter des Diakonischen Werks in Württemberg, Matthias Reuting, machte deutlich, wie wichtig es Betroffenen ist, dass es in den Organisationen, in denen ihnen Unrecht widerfahren ist, ein Bewusstsein für das Geschehene gibt. Es brauche Orte der Erinnerung und eine Sichtbarkeit für geschehene Gewalt, z.B. auf Internetseiten.
Brigitte Baums-Stammberger, die mit insgesamt 153 Betroffenen Gespräche geführt hatte, verwies darauf, dass die Mehrheit der Betroffenen mit dem Prozess zufrieden sei. Die Aufklärerin fand beachtlich, dass fast ein Drittel aller Teilnehmenden aus dem Kreis der Betroffenen kamen - ein deutliches Zeichen dafür, dass viele ehemalige Heimkinder diesem Gedenktag große Bedeutung beigemessen haben.
Gespräche mit ehemaligen Mitarbeitern und Betroffenen werden fortgesetzt
Klaus Andersen hob hervor, dass nicht jeder Mitarbeiter in den Heimen auch Täter gewesen sei. Es habe viele dankbare Rückmeldungen von Heimkindern über damalige Mitarbeitende gegeben. Vertreter der Brüdergemeinde und der Diakonie sind deswegen mit ehemaligen Mitarbeitern im Gespräch: „Wir wollen, dass der Generalverdacht über alle Mitarbeiter endlich wegkommt,“ so Andersen.
Diakonie-Geschäftsführerin Jutta Arndt betonte, dass es nicht darum geht, mit der Veranstaltung und dem Schuldbekenntnis einen Schlusspunkt zu setzen. Man will weiterhin Gespräche anbieten. Sie kündigte die Gründung eines Beteiligungsforums gemeinsam mit Betroffenen an, um auch in Zukunft zielgerichtet an dem Thema zu arbeiten.
Diskussion auf Podium und mit Publikum
In einem öffentlichen Forum diskutierten Betroffene, Fachleute, die Aufklärer des Korntaler Aufarbeitungsprozesses und Vertreter von Ev. Brüdergemeinde und Diakonie angeregt die Frage: „Was kann Aufarbeitung von Missbrauchsfällen für Betroffene, für Institutionen am Beispiel der Ev. Brüdergemeinde und Diakonie Korntal/Wilhelmsdorf sowie für die Gesellschaft leisten und bedeuten? Moderator Matthias Katsch, Gründer des Betroffenenforums „Eckiger Tisch“, gelang es auf souverän, die Diskutanten wie das Publikum an der engagierten Gesprächsrunde zu beteiligen.
Angeregte Begegnungen
Am ganzen Tag gab es viele Gelegenheiten, miteinander ins Gespräch zu kommen – zwischen Betroffenen, Korntaler Bürgern, Mitarbeitenden der Diakonie oder Mitgliedern der Brüdergemeinde. Eine Betroffene fasste ihren Eindruck so zusammen: „Es war eine sehr gelungene Veranstaltung. Sie hat mich persönlich wieder ein Stück auf meinem Entwicklungsweg weitergebracht.“